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Schenna lebt, wovon Südtirol noch träumt

Im Herbst vorigen Jahres hat Schenna als eine der ersten Gemeinden Südtirols einen Bürger*innenrat durchgeführt. Die Erfahrungen sind positiv. Könnte dieses Beispiel nicht zum Vorbild für andere Gemeinden, ja für das Land Südtirol werden? Ein Gespräch mit der Bürgermeisterin Annelies Pichler.

Annelies Pichler

Wie sind Sie auf das “Werkzeug” des Bürger*innenrates gekommen?

Ich kenne das „Werkzeug“ Bürger*innenrat aus persönlichen Weiterbildungen und grundsätzlichem Interesse an Beteiligungsformen. Das Interessante dabei ist, dass auf diese Weise eine heterogene Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern mitreden kann und man nicht nur die Meinung derer hört, die sich gerne und oft zu Wort melden. So erhalten wir ein umfangreicheres Bild.

Inwiefern konnte die Gemeinde Schenna ihn bereits nutzen?

Für die Entwicklung unseres Dorfentwicklungskonzepts gab es letzten Winter vier nach Alter, Geschlecht und Wohnort geloste Bürgerräte mit jeweils 12 Mitgliedern, die sich mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzten. Hinzu kamen 2 Räte, die die Vereine und Verbände gestellt hatten. Hierfür konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entsandt werden. Einer der Bürgerinnen*räte war ein Jungbürger*innenrat, in diesem Fall die Stimme der 16- bis 30-Jährigen, geht es doch um die Zukunft unseres Dorfes.

Den Einwand, dass nicht viel Neues herauskomme und wir als Gemeinderat eh wissen, wo man tätig werden müsse, lasse ich nicht gelten. Zu hören, was die Dorfbevölkerung dazu meint und welche zusätzlichen Ideen und Meinungen da sind, kann uns nur weiterbringen.

Annelies Pichler

Was halten die Bürgerinnen und Bürger davon?
Die gelosten und von uns persönlich kontaktierten Bürgerinnen und Bürger nahmen das Angebot gerne an; einige Positionen mussten allerdings – mitunter auch mehrmals – nachgelost werden. Am Ende waren aber alle Räte vollständig und haben eineinhalb Tage intensiv und motiviert Vorschläge für die Gemeinde erarbeitet. Die ersten Ergebnisse der Räte der Bürgerinnen und Bürger und der Vereine und Verbände wurden der Öffentlichkeit in einem gut besuchten Bürgerdialog vorgestellt und diskutiert. Die Menschen nehmen das Angebot also gut und aktiv an. Den Einwand, dass nicht viel Neues herauskomme und wir als Gemeinderat eh wissen, wo man tätig werden müsse, lasse ich nicht gelten. Zu hören, was die Dorfbevölkerung dazu meint und welche zusätzlichen Ideen und Meinungen da sind, kann uns nur weiterbringen. Im besten Fall kommen wir zu neuen Lösungen, die von vielen mitgetragen werden, im „schlechtesten“ Fall müssen wir gut erklären, warum Dinge derzeit nicht nach Wunsch realisiert werden können. In jedem Fall aber müssen wir transparent und ehrlich sein, damit die Entscheidungen aus der Gemeindestube von möglichst vielen mitgetragen und akzeptiert werden.

Ein geloster Bürger*innenrat in der moderierten Diskussion

Wissen Sie von Gemeinden, die auf diesen Weg folgen werden?

Bei mir haben sich einige Gemeinden über diese Form der Beteiligung erkundigt; auch weiß ich, dass die eine oder andere Gemeinde zu spezifischen Fragestellungen bereits auch Bürger*innenräte durchgeführt hat. Auch die Euregio plant derzeit die Durchführung eines länderübergreifenden Bürger*innenrats.

Inwiefern könnte ein Bürger*innenrat bei der Klimakatastrophe, der größten Herausforderung für die Menschheit, behilflich sein?
Die Herausforderungen des Klimawandels und die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen können nur gemeinsam mit der Bevölkerung bewältigt werden. Neben tief eingreifenden politischen Maßnahmen werden strukturierte Beteiligungsformen von großer Wichtigkeit sein. Das muss nicht ein Bürgerrat sein – wie Österreich es vorgemacht hat – sondern auch andere Herangehensweisen können hilfreich sein. So muss man sich genau überlegen, wie die Jugend angesprochen und gewonnen werden kann.

Wie geht es in Schenna weiter: Gibt es weitere partizipative Ansätze, die Sie ausprobieren möchten?
Es geht nicht um ein Ausprobieren, sondern um ein genaues Abwägen, wann Beteiligung für welche Zielgruppe sinnvoll ist und wann nicht, was genau das Ziel ist. Die Auswahl der Methode ist der zweite Schritt und richtet sich nach den Rahmenbedingungen, der Zielgruppe und dem Inhalt.

 

2 Antworten auf „Schenna lebt, wovon Südtirol noch träumt“

BIn sehr erfreut über Eure Initiative und hoffe,daß viele weitere Bürger*innen in Sdtirol aktiv werden und Bürgerräte einfordern und aktiv mitarbeiten . Macht weite so !

Sehr schöne Vorstellung in der eigenen Gemeinde mal wirklich zu den wichtigen Themen mitdiskutieren zu können und nicht immer nur aus den Medien von den (Fehl)Entscheidungen lesen zu müssen….

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